Scheinbar ist der Sinn
eines Radfahrvereins, sich 2-3 mal im Jahr zu treffen, um den Allerwehrtesten für
ein paar Tage auf einem unbequemen Fahrradsattel zu quälen. Unser Üpperstmaaljooger
Alfred hat sich da, zum malträtieren seiner Jünger, noch mehr einfallen lassen.
Die Paddeltour.
Da Kanus keine Fahrradsättel haben, hat ihm wahrscheinlich die unbequeme Sitzhaltung
ersatzweise ausgereicht, um die Paddeltour als zusätzlich, jährlich wiederkehrendes
Event, in seine Planungen aufzunehmen.
Vorteilig bei dieser neuen Art der Tortur ist, dass die hierfür zur Verfügung
stehenden Wasserstraßen nicht, wie bei den Fahrradtouren üblich, durch pudelsandige
Nebenstrecken ausgefeilt werden können. Böse Zungen behaupten, dass Alfred
die Montage der üblen Nebenstrecken, milde formuliert, viel Spaß bereitet.
Doch auch unsere Paddeltour beginnt auf dem Drahtesel, denn leider haben wir nicht
das Glück, dass der ausgewählte Ems-Jade-Kanal bei allen Mitgliedern durch
den heimischen Garten führt.
So hatten wir uns am Sonntag für 10.00 Uhr im Zentrum der Metropole verabredet,
um von hier aus dann weitere Treffpunkte anzufahren, bis die Clique vollständig
war.
Dieses "Sammeln" hat fast rituellen Charakter. Die entstehenden Wartezeiten
werden nach der Begrüßung und dem Austausch aller Neuigkeiten gern für
kleine Sticheleien genutzt. Man hat Zeit sich gegenseitig zu mustern, das Rad des anderen
zu bestaunen oder zu verreißen. Da geht es los mit dem Hightechgefährt von
Alfred. Es hat Minimum-Maximum-Tachometer-Thermometer, Kartenhalter, Doppelscheinwerfer,
einen Schnellverschluss für die Digitalkamera und ist vorn sowie unterm Sattel
gefedert. Detlefs Rad besitzt ab und zu eine Stereoanlage. Jörgs Rad ist nagelneu,
wurde jedoch mit dem alten, überdimensionierten Sattel und dem alten Namenshalter
unfachmännisch verschandelt. Der Sattel passt nicht zum Rad, aber wie er selbst
sagt, zum Arsch.
"Vielleicht braucht man solchen Sattel, wenn man nur im ersten Gang fährt"
und "Jörg, Dein neues Rad quietscht gewaltig"
war zum x-ten mal zu vernehmen, weil er immer noch keinen drauf ausgegeben hat.
Claudia war mit einer, einem Sattelzug ähnelnden Konstruktion erschienen. Sie
hatte das Rad Ihrer Tochter Marlin über eine Stahlstange im Schlepptau. Diese
technische Errungenschaft wurde während der ersten Kilometer mehrfach um- und
dann demontiert.
Am nächsten Treffpunkt hatte man erwartet etwas länger zu warten. Hier stoßen
eigentlich Manuela und Berthold dazu, waren aber noch nie pünktlich und erreichen
die Hauptgruppe meist erst am letzten Treffpunkt als Nachzügler. Die Ausreden
sind auch meist die gleichen. Man wäre schon um 08.00 Uhr da gewesen, hätte
noch niemand angetroffen und wäre dann noch mal zu Bett gegangen.
Am letzten Treffpunkt warteten Hylke und Linda (Lu) schon ungeduldig. Da jedoch Manuela
und Berthold schon bei uns fuhren, war die Verspätung erklärbar und es konnte
ja auch gleich weitergehen. Die letzten Kilometer zum Kanal könnte man als "Talk
up Rad in platt" bezeichnen.
Auf diese unterhaltsame Weise erreichten wir dann, als etwas gedehnte Karawane, den
alten Schifffahrtsweg. Das Begrüßungskomitee, zwei netten Ostfriesen mit
einem PKW und einem Monsteranhänger auf denen die Kanus transportiert werden,
waren schon früh erkennbar. Die Armada war schon zu Wasser gelassen und das Monster
konnte nun unsere glücklichen Räder aufnehmen. Diese werden nämlich
immer mit dem Kanuanhänger zum Etappenziel chauffiert. Alles im Preis inbegriffen.
Beim Besteigen der dünnwandigen Leichtboote geht es immer hoch her. Die Sprüche
aller Genossen werden derber und man sollte sich den besten Platz frühzeitig sichern.
Dazu sei anzumerken, dass ein Kanu 4 Personen, einen "mehr oder weniger"
guten Sitzplatz zu bieten hat. Der beste ist nach meiner Meinung hinten. Mit einem
Regenschirm in Petto und einer dieser wasserdichten Gepäcktonnen im Rücken
muss man nur in der Lage sein, dem Vortrieb eine Richtung zu verleihen.
Das mit der "Richtung" ist beim Kanufahren nämlich so ein Ding. Einige
Steuermänner versuchen diese Aufgabe durch Gegenpaddeln zu lösen, bis der
Kahn wieder rückwärts fährt. Andere wiederum wechseln die Antriebsseite.
Mal wird rechts, dann wieder links gepaddelt. Dummerweise wird diese Methode nicht
nur vom Steuermann ausgeführt, ist deshalb interessant anzuschauen und hat einen
heftigen Zickzackkurs zur Folge.
Nachdem alle mit ihrer ureigenen Technik auf dem spiddelig-dünnen Sitz im Kanu
platzgenommen hatten, war wieder mal folgendes Phänomen aufgetreten:
Es war ein Jugendboot, ein Damenboot, ein Politikerboot und ein Technikerboot entstanden.
Jugendboot: Claas, Armin, Vanessa und Manuel.
Damenboot: Edith, Linda, Manuela und Claudia.
Politikerboot: Alfred, Hylke, Jörg und Berthold.
Technikerboot: Marlin, Detlef, Rüdiger und Ewald
Die Definition von Jugend- und Damenboot ist klar. Die Definition Politikerboot müsste
auch klar sein. Hierin sitzen Alfred und Berthold, die beiden Vorsitzenden der größten
Vereine unseres Dorfes. Gelenkt wird das Boot von Hylke. Der hat schon in seinem früheren
Leben nur Chefs chauffiert. Jörg, als vierter Mann an Bord, kann auf jeden Fall
soviel reden wie ein Politiker.
Die Besatzung des Technikerbootes kennt sich in Wasser-, Haus- und Fahrzeugtechnik
aus, traut der Technik aber nicht und nimmt deshalb immer die kleine Marlin als Maskottchen
mit.
Auf jeden Fall entstanden so wieder mal verschiedene Gewichtsklassen, die natürlich
auch unterschiedlichen Tiefgang verursachten. Erwähnenswert ist, dass die Leichten
schneller sind, die Schweren "eigentlich" stabiler im Wasser liegen müssten,
die Jungen sollten weniger Kraft haben und die Frauen sind sowieso ein Fall für
sich. Ich glaube hier hoffen die Männer immer noch auf einen wet-T-shirt-contest.
Das man dann um die Wette fährt ist klar. Was jeder einzelne dann an Tiefgang
bringt, es sind ja keine Bruttoregistertonnen, muss er durch Technik oder politischem
Einfühlungsvermögen Wett machen. Hier wird spätestens klar, welche Boote
schwer im Wasser lagen und das unsere Unternehmungen nicht unbedingt etwas mit Sport
zu tun haben. Die Pfunde kommen ja auch nicht von ungefähr. Ich habe Beispielsweise
noch keine Radtour mitgemacht, die ohne Picknick geplant war. Und dann kommen zusätzlich
die ungeplanten Stops. Die Satteltaschen voll mit den guten Wiener Würstchen "im
zarten Saitling" oder Alfreds berühmt-berüchtigten Mettenden.
Klar, dass auch unser Paddeltour einen "im wahrsten Sinne des Wortes" Anlaufpunkt
hatte.
Hierfür hatten Detlef und ich schon morgens um 08.00 Uhr eine kleine Vorbereitung
begonnen (übrigens, Berthold und Manuela standen nicht an der Strasse).
Der gute Detlef hat einen Kleinlaster, der sich für den Transport von Bänken,
Tischen, Grillapparaturen sowie dem zugehörigen Grillgut vorzüglich eignet,
und der hiermit beladen, frühmorgens an einer sorgfältig in Marcardsmoor
ausgesuchten Stelle, positioniert wurde. Die Wandlung dieses Depots zur gemütliche
Lagerstelle wurde unserer bisher verhinderten Renate (ihr kam ein Kindergartenfest
in die Quere) und der wasserscheue Anneliese (ich glaub sie kann nicht schwimmen) überlassen.
Die beiden waren hier im Laufe des Vormittags angereist und hatten, bis zu unserem
Erscheinen, das Fahrzeug entladen, alles Mobiliar aufgebaut und den Grill entfacht.
Da sich Alfred beim Einkauf der Getränke unglücklich vergriffen hatte und
alkoholfreies Dosenbier erstand, war nicht so schlimm wurde aber als Gesprächsthema
immer wieder gerne aufgegriffen und neu gerügt. Gut eine Stunde schätze ich,
haben wir hier im Sonnenschein verbracht, haben aufs Bier schimpfend, verschiedene
Bratwurstsorten mit einer gesunden Bräune versehen und verspeist.
Körperliche Anstrengungen mit anschließenden Völlereien lassen manchen
Menschen die Müdigkeit nur gähnend ertragen. Besonders schwer trifft es immer
wieder unseren Jörg. Als "immermüder Jäger" in der Szene bekannt,
hatte er sogar die freigewordene Ladefläche unseres Trucks für eine kleine
Siesta auserkoren und sich darauf lang gemacht.
Das sind die Gelegenheiten, um seien Mitmenschen etwas zu quälen. Hierzu ist ja
jeder gern bereit, der seine eigene Müdigkeit noch einigermaßen unter Kontrolle
hat. Voran, die sonst so schüchternen Kinder. Und wer sich selbst nicht aufrappelt,
kann sich im Halbschlaf wenigstens an den Geschehnissen erfreuen. Wenn man Jörg
heißt, immer müde ist, ist man das Opfer.
Als die meisten Teilnehmer ihren "Toten Punkt" überwunden hatten, ging
es weiter querab in Richtung "Etappenziel-Wiesmoor". Vorne weg die Kinder,
die teilweise kniend ihrem Gefährt den nötigen Vortrieb verliehen. Dann folgten
die schwereren Boote, mehr als Verdränger unterwegs. Die Abstände wurden
durch den unterschiedlichen Ehrgeiz größer. Ein kleiner Regenschauer hat
nicht weiter gestört (wie gesagt: Regenschirm auf, paddeln lassen und Richtung
geben).
Wir saßen bereits im Restaurante nahe der Bootshäuser, hatten die Kanus
gegen unsere Fahrräder getauscht und uns einem Eisbecher gewidmet, als hier Bertholds
Sohn samt Freundin auftauchte. Seine Erklärung, er wäre telefonisch mit der
Anlieferung eines trockenen Komplettoutfits für seinen Vater beauftragt, konnten
wir erst nicht richtig deuten. "Ja", der ist ins Wasser gefallen!" sagte
er.
Als wir realisiert hatten, dass auch so unser Vorsprung begründbar wurde, war
das Gelächter groß. Wir hingen über die Geländer und erwarteten
gern die Nachzügler, um unsere Schadenfreude richtig auskosten zu können.
Den späteren Ermittlungen nach, hatte sich das hintere Feld der Paddeltour zur
"Kieler Woche" gemausert (bei der Kieler Woche fällt auch immer ein
Politiker ins Wasser). Der letzte Törn war von 2 Schleusen unterbrochen, die ein
Übertragen der Boote erforderlich macht. Hierfür ist zusätzliches Be-
und Entsteigen der Boote notwendig. Wie man dieses Manöver sicher durchführt
ist jedoch, zur Freude aller, nicht jedem bekannt. Wenn Beispielsweise zwei Leute gleichzeitig
versuchen einen sicheren Stand an Land zu ergattern, gibt es immer einen Schnelleren
und einen Langsameren. So soll Berthold im Spagat wenig geübt sein. Auch "eine
Brücke machen" war wohl im Sportunterricht nicht seine Stärke aber im
voran geschilderten Szenario erforderlich.
Der eigentlich Leidtragende war "Alfred der Schnellere". Er hatte seinen
Fotoapparat nicht zur Hand und ärgert sich noch heute darüber, keine Dokumentation
des Ereignisses angefertigt zu haben. "Berthold der Gefallene" soll, nachdem
das Missgeschick ermal passiert war, noch einige Runden geschwommen sein. Die Lästermäuler
unter den Augenzeugen sagen, dass bei entsprechender Aufsicht, eine "Seepferdchenauszeichnung"
drin gewesen wäre. Fürs "Freischwimmer" war der Elan jedoch nicht
groß genug. Der späte Einlauf des Politikerbootes (mit dem nassen Pudel
an Bord) wurde ausgiebig umjubelt.
Am späteren Abschlussessen konnte ich diesmal leider nicht teilnehmen, bin mir
aber sicher, dass die Badeszene noch großzügig ausgeschmückt wurde.
Wahrscheinlich gab es dabei auch anderes (richtiges) Bier.
Ich freu mich schon aufs nächste Mal.
Gruß an alle, Ewald.
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